Werkzyklus Stierkampf, Gedanken zum Thema

Das Thema “Stierkampf” betrachte ich nicht aus der klassischen Sicht des Torero, der mit Mut und Intelligenz den ihm an Kräften weit überlegenen Stier besiegt, sondern aus der Perspektive des Stieres, der in einem unfairen Spektakel grausam zu Tode gebracht wird. Hierbei drängen sich mir auch Parallelen auf zu vielen menschlichen Schicksalen, die wir täglich u.a. über die Medien verfolgen können.

Zu Beginn sehen wir den Stier im Vollbesitz und Bewusstsein seiner Kraft, der siegessicher mit maximaler Muskelspannung in den Angriff geht. Er ahnt dabei noch nicht, dass er in ein Ritual geworfen wurde, in dem sein Tod von Anfang an feststeht und seine Qual dazu dient, Menschen zu unterhalten und ihnen ein Gefühl der Überlegenheit zu geben.

Im Verlauf des Spektakels wird seine Nackenmuskulatur durch die Piccadores durch Einstechen von Spießen weitgehend gelähmt, so dass er seinen Kopf kaum noch heben kann und seine Rundumsicht stark eingeschränkt wird. Wenn er dann hechelnd im Spagat steht, ist der Moment gekommen, in dem der Torero vor ihn treten und ihm den Todesstoß versetzen kann. Aus dem Spagat kann der Stier nämlich erst angreifen, nachdem er die Hinterläufe wieder nach vorne gebracht hat. Dieser kurze Augenblick besiegelt sein Schicksal.

Wenn es ihm aber dennoch gelingt, im letzten Moment noch einen Angriff zu starten, dann springt er mit dem Nacken in die tödliche Klinge. Während sein Körper vorne bereits zu kollabieren beginnt, katapultiert der mächtige Schub aus den Hinterläufen seinen massigen Körper gewissermaßen in einen Salto Mortale.

Der Sturz auf den Rücken beendet für ihn das grausame Spiel.

Was bleibt von dem stolzen Tier, das zum Vergnügen der Zuschauer hingerichtet wurde? Ein unförmiger Haufen Fleisch und Knochen als Futter für Menschen und Tiere. Die Seele ist entfleucht. Wo mag sie sein? Bleibt wenigstens die Erinnerung an seinen beherzten Kampf und einen Abgang mit Würde?